Neue Mobilität - sind zentrales Steuergerät und Software das Ei des Kolumbus?

Die aktuellen Megatrends in der Automobilindustrie sind heute Elektromobilität und autonomes Fahren. Zweifelsohne ist Tesla Pionier in beiden Bereichen und hat zu einer großen Dynamik in der gesamten Industrie beigetragen, ähnlich, wie seinerzeit Toyota im Bereich der Antriebstechnik und Elektrifizierung mit der Einführung der Prius.

Ohne elektronische Steuerungen wären diese Innovationen nicht möglich. Software und Elektronik sind wesentlicher Bestandteil solcher Systeme. Oder zukünftig eher das Herzstück. Elektronisches Kommutieren für den elektrischen Antrieb oder Assistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren, ohne Rechenleistung und Software ist das niemals darstellbar.

In diesem Kontext wird leidenschaftlich diskutiert, was Tesla anders macht als die etablierten Automobilhersteller. Beispielhaft möchte ich auf zwei Artikel bzw. deren Überschrift vom Februar 2020 zitieren: „Tesla hat sechs Jahre Vorsprung“ und „Warum Tesla keine 6 Jahre Vorsprung hat“. Im Kern sind dort drei Aussagen genannt, die ich hier aufgreifen möchte:

  1. Der Ansatz mit einem zentralen Steuergerät ist überlegen
  2. Das differenzierende ist ausschließlich die Software
  3. Nur mit eigener Wertschöpfung, also weniger Partnern / Lieferanten werden Automobilhersteller erfolgreich sein

Der Ansatz eines zentralen Steuergeräts ist in meinen Augen differenzierter zu betrachten. Klar, mit einem Steuergerät und dem passenden Sicherheitskonzept habe ich auch nur eine Software und alle Zustandsgrößen sind für alle Programmteile nutzbar. Ich bin anfänglich schneller, denn mit richtig gewählter Rechenleistung und Speichergröße kann ich Funktionalitäten schnell und effizient umsetzen. Und ich habe eine sehr hohe Kommunikationsgeschwindigkeit, der Aufwand der Kommunikation mit weiteren Steuergräten entfällt. 
Allerdings gab es auch in der Vergangenheit gemeinsame Steuergeräte für Verbrennungsmotoren und Getriebe, die sich allerdings nicht durchsetzen konnten. Hier waren übrigens die Fahrzeughersteller auch Entwickler und Produzenten von Verbrennungsmotor und Getriebe. 

Aus meiner Sicht sind eine klare Architektur und die konsequente Definition von Bereichen für bestimmte, abgrenzbare Funktionalitäten wesentlich wichtiger. Dies zusammen mit einem klaren und detaillierten Verständnis der zu regelnden bzw. zu steuernden Strecken ist in meinen Augen der Schlüssel für eine leistungsfähige und wartungsfreundliche Software. Insbesondere die Trennung, analog zu Produkten und Software in Consumer-Bereich, ist wichtig: Betriebssystem, Anwendungssoftware, Applikationssoftware und Bedatung ist essentiell für nachhaltigen Erfolg.

Ist Software das ausschließlich differenzierende? Aus meiner Sicht nicht. Obwohl mir Indizien bekannt sind, dass ein Produkt mit einer Software im Markt erfolgreich war und das baugleiche Produkt mit einer anderen Software leider durchgefallen ist. Aber lag das alleine an der Software? Eben nicht. Es geht zum einen um die Kenntnis der Regelstrecke, und zum anderen um die richtigen Algorithmen in der Software, um das Optimum zu erlangen.

Die Qualität und Robustheit der Komponenten ist genauso wichtig wie deren Fähigkeit die erforderlichen Funktionen darzustellen. Nehmen wir das Thema Reichweite bei Elektromobilität. Die Software hat einen signifikanten Einfluss bei der Regelung und Ansteuerung und beeinflusst Reichweite und Effizienz maßgeblich. Aber die verwendeten Komponenten der Hardware und das Layout bis hin zu Leitungslängen und Leitungswiderständen stellen physikalische Grenzen dar, die die Software nicht überwinden kann. Selbiges gilt für autonomes Fahren bezüglich der Sensoren und Kamerasysteme. Die Software kann die Auflösung und Sensitivitäten bezüglich Umwelt und Störeinflüssen nicht verändern. Software alleine fährt kein Auto und treibt keines an. Aber ohne sie fährt auch keines mehr.

Gilt das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ bei der Umsetzung der Megatrends wie im dritten Punkt suggeriert? Müssen die Fahrzeughersteller den Wertschöpfungsanteil erhöhen, um erfolgreich zu sein? Nein, das führt in meinen Augen in die Sackgasse. Um eine neue Technologie zu erschließen nutzt man bevorzugt eigene Ressourcen oder einen sehr kleinen Kreis von handverlesenen Partnern. Wie Toyota beim Prius und eben auch Tesla, um die eingangs genannten Beispiele aufzugreifen. 

Für die nächsten Generationen ist es dann aber wichtig, externe Partner und Dienstleister einzubinden, um von deren Kompetenzen, Spezialwissen und Innovationen zu profitieren. War ein Pionier mit seinen Produkten erfolgreich, werden Wettbewerber sich bemühen, entsprechende Technologien ebenfalls anzubieten und dazu auch Partner und Dienstleister zu nutzen. Dadurch entstehen Optimierungen des ursprünglichen Produkts und ggf. konkurrierende Ansätze in einer größeren Dynamik, als das in einem Einzelnen Unternehmen der Fall sein wird.

Erfolgsfaktoren aus meiner Sicht sind die simultane Entwicklung von Hardware und Software und die konsequente und präzise virtuelle Beschreibung der Hardware als Basis für die Softwareentwicklung. Wenn ich etwas zuerst in der realen Welt bauen muss, um eine Basis für die Softwareentwicklung zu haben, werde ich zu langsam sein. Hardware und Software einer Baustufe bzw. von Prototyens müssen quasi gleichzeitig fertig werden und sofort gemeinsam funktionieren. Das mit mehreren Partnern zu gewährleisten ist natürlich schwieriger und in den Kunden-Lieferanten-Beziehungen bestehen oft noch Barrieren beim Datenaustausch bezüglich des Schutzes geistigen Eigentums.

Es gilt also Brücken zu bauen, zwischen Fahrzeugherstellern, Lieferanten und Dienstleistern auf der einen Seite und zwischen den Disziplinen Hardware, Software, System und Simulation. Für weiterhin elektrifizierende Mobilität.

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